Wer nach einem Unfall einen Schaden an seinem Auto hat, möchte diesen unter Umständen nicht reparieren lassen, sondern sich lieber den Schadensbetrag auszahlen lassen.
Das macht etwa Sinn, wenn man das Fahrzeug nicht repariert weiternutzen möchte sondern lieber ein anderes Auto kauft.
Man bezeichnet dies als fiktive Regulierung.
Für den Haftpflichtschaden, wenn also die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners zur Regulierung verpflichtet ist, ist diese Form der Abrechnung grundsätzlich anerkannt.
Beispielhaft darf auf die Porsche-Entscheidung des BGH verwiesen werden.
Für den Bereich der Kaskoregulierung war bisher nicht höchstrichterlich geklärt, ob wenn eine fiktive Abrechnung in Betracht kommt, die Regulierung auf Basis der kalkulierten Kosten einer markengebundenen Vertragswerkstatt erfolgen muss, oder der Versicherer auf die niedrigeren Kosten einer „freien“ Werkstatt verweisen kann.
Der Bundesgerichtshof(BGH) hat nun auch für den Fall der Kaskoregulierung entschieden, dass grundsätzlich eine fiktive Abrechnung, also die Auszahlung des für die Reparatur des Schadens aufzuwendenden Betrages, auf Basis der Kosten in einer markengebundenen Fachwerkstatt verlangt werden kann.
ABER:
Das Gericht hat ausdrücklich klargestellt, dass es auf die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien ankommt.
Allerdings hat der BGH auch klargestellt, dass es für die Auslegung der Vereinbarungen auf die Sicht eines normalen Versicherungsnehmers ankäme, weshalb insbesondere bei neueren Fahrzeugen oder, wenn das Fahrzeug bisher nur in einer Markenwerkstatt gewartet und repariert wurde, die dort üblicherweise berechneten Kosten zu erstatten seien.
Die schriftliche Urteilsbegründung lag bei Erstellung dieser Veröffentlichung (11.11.2015) noch nicht vor.
Die genauen Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis lassen sich erst feststellen, wenn die Entscheidung vollständig vorliegt. Schon jetzt steht aber fest, dass sich erhebliche Änderungen ergeben werden.
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Die vollständige Pressemitteilung lautet:
Zur fiktiven Abrechnung von Unfallschäden in der Fahrzeugkaskoversicherung auf Gutachtenbasis
Urteil vom 11. November 2015 – IV ZR 426/14
Der u.a. für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass auch bei einer fiktiven Abrechnung von Unfallschäden in der Fahrzeugkaskoversicherung unter bestimmten Voraussetzungen die Aufwendungen, die bei Durchführung der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallen würden, ersatzfähig sind und der Versicherungsnehmer sich von seinem Versicherer nicht auf die niedrigeren Kosten einer „freien“ Werkstatt verweisen lassen muss.
In dem Rechtsstreit begehrt der Kläger, der seinen Mercedes nach einem Unfallschaden nicht reparieren ließ, von seinem Kaskoversicherer den Ersatz der notwendigen Reparaturkosten auf Gutachtenbasis. Dabei legt er ein von ihm beauftragtes Gutachten zugrunde, in dem auf Basis der Stundenverrechnungssätze einer Mercedes-Fachwerkstatt ein Reparaturkostenaufwand von rd. 9.400 € ermittelt worden ist. Der beklagte Versicherer regulierte dagegen auf der Basis eines von ihm eingeholten Gutachtens nur rd. 6.400 €. Diesem Gutachten liegen die Lohnkosten einer ortsansässigen, nicht markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde. Die Differenz von knapp 3.000 € ist Gegenstand der Klage.
In Ziffer A.2.7.1 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) 2008 heißt es:
„Wird das Fahrzeug beschädigt, zahlen wir die für die Reparatur erforderlichen Kosten bis zu folgenden Obergrenzen:
a)Wird das Fahrzeug vollständig und fachgerecht repariert, zahlen wir die hierfür erforderlichen Kosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts nach A.2.6.6, wenn Sie uns dies durch eine Rechnung nachweisen. Fehlt dieser Nachweis, zahlen wir entsprechend A.2.7.1.b.
b)Wird das Fahrzeug nicht, nicht vollständig oder nicht fachgerecht repariert, zahlen wir die erforderlichen Kosten einer vollständigen Reparatur bis zur Höhe des um den Restwert verminderten Wiederbeschaffungswerts nach A.2.6.6.“
Die Klage hatte beim Amtsgericht Erfolg; das Landgericht hat sie auf die Berufung des beklagten Versicherers abgewiesen. Es hat ausgeführt, soweit die Reparatur des Fahrzeugs auch in einer markenfreien Fachwerkstatt zu einer vollständigen und fachgerechten Reparatur führe, seien nur die dort anfallenden Kosten als erforderlich im Sinne der AKB anzusehen. Für die vom Amtsgericht befürwortete Übertragung der Grundsätze aus dem gesetzlichen Haftungsrecht fehle es an einer tragfähigen Begründung.
Der Bundesgerichtshof hat demgegenüber zwar bestätigt, dass in der Kaskoversicherung allein die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien maßgeblich sind und deshalb die für den Schadensersatz – also insbesondere für die Ersatzpflicht des Unfallgegners – geltenden Regelungen nicht angewandt werden können. Er hat aber weiter entschieden, dass die Aufwendungen für die Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt auch nach der maßgeblichen Auslegung der Versicherungsbedingungen aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers abhängig von den Umständen des jeweiligen Falles als „erforderliche“ Kosten im Sinne der Klausel anzusehen sein können. Danach kann der Versicherungsnehmer diese Aufwendungen dann ersetzt verlangen, wenn nur in der Markenwerkstatt eine vollständige und fachgerechte Instandsetzung seines Fahrzeugs möglich ist, im Regelfall aber auch dann, wenn es sich um ein neueres Fahrzeug oder um ein solches handelt, das der Versicherungsnehmer bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen. Dass eine dieser Voraussetzungen vorliegt, ist vom Versicherungsnehmer im Streitfall darzulegen und zu beweisen.
Da das Berufungsgericht hierzu bislang keine Feststellungen getroffen hat, hat der Bundesgerichtshof den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Amtsgericht Mitte – Urteil vom 1. Februar 2013 – 114 C 3023/12
Landgericht Berlin – Urteil vom 15. Oktober 2014 – 44 S 106/13
Quelle Pressemitteilung des Bundesgerichtshof Nr. 187/2015 vom 11.11.2015